Metamorphus

Kapitel 4

Der Sumpf

Lange waren die zwei letzten Reiter nordwärts geritten, immer in der Hoffnung, doch noch eine Gegend zu finden, die mehr als kargen Stein oder menschenfressende Monster zu bieten hatte. Doch nun, da sie nur noch zu zweit waren, zweifelten sie am Sinn dieser Sache. Nachdem sie die Hecken hinter sich gelassen hatten, waren sie gut eine Woche später an eine tiefe Schlucht gelangt, die sich nach beiden Seiten weiter erstreckte als sie blicken konnten und die unmöglich zu überqueren war. So beschlossen sie, ihre Expedition als gescheitert betrachtend umzukehren. Für den Rückweg wollten sie allerdings eine andere Route wählen. Sie hielten sich weiter westwärts und hofften, so einen weiten Bogen um die Raben und Schnecken zu machen.

Fast zwei Wochen waren vergangen. Die Landschaft war karg und trostlos geblieben, doch ein dichter Nebel war aufgezogen und verlieh der Tristesse einen ganz besonderen Charme. Stumm ritten sie nebeneinander her, ohne zu wissen, worüber sie sich noch hätten unterhalten können, so lange waren sie schon unterwegs.

Vielleicht lag es an dem Nebel, der hereinbrechenden Dämmerung oder an ihrer Müdigkeit, dass sie nicht bemerkten, wie sich der Boden unter ihnen veränderte. Zu viel Wasser hatte sich hier angesammelt und die Gegend in ein versumpftes Gebiet verwandelt. Die Pferde hatten Mühe, voranzukommen und sanken bei jedem Schritt tiefer ein, bis eines von ihnen schließlich stehenblieb, unfähig sich zu bewegen.

Erst jetzt merkte sein Reiter, wo sie gelandet waren. Er sprang vom Rücken des Pferdes, und versuchte es zu befreien, doch genauso gut hätte er versuchen können, einen Baum zu entwurzeln, so tief war es bereits in den matschigen Boden eingesunken. Er selbst merkte, wie sehr der Boden versuchte, ihn festzuhalten, als hätte er seit Ewigkeiten hungrig darauf gewartet, dass jemand vorbeikam, den er verschlingen konnte. Während er bereits bis zu den Knien eingesunken war, musste er an den Gefährten denken, den der Schneckenschleim an den Boden gefesselt hatte. Kein Untier lauerte hier jedoch, um ihn zu fressen, und vielleicht hätte er sich noch befreien können, wäre nicht das Pferd seitlich weggekippt um ihn unter sich zu begraben und tief in den Boden zu drücken. Gefangen wie in einem klaustrophobischen Albtraum versuchte er zu schreien, doch zäher, kalter Schlamm drang in seinen Mund und alles, was sein Gefährte noch von ihm sehen konnte, war eine Hand, die verzweifelt in die Luft greifend unter dem in Panik wiehernden Pferd hervorragte. Es hatte keinen Sinn mehr, ihm zu helfen, das wusste der andere Reiter ganz genau. Ihm ging die Geschichte eines Barons durch den Kopf, der sich und sein Reittier einst auf spektakuläre Weise aus einem Moor befreit hatte, doch eigentlich war er sich ziemlich sicher, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war, alleine ein Pferd aus dem Sumpf zu ziehen. Und so verlor auch der vierte Reiter sein Leben.